Reime finden – Songtexte Schreiben mit passenden Reimen [02]
3, 2, 1… reimt’s?
In dieser Folge widmen wir uns den Reimen. Wann reimen sich zwei Wörter eigentlich? Welche Arten von Reimen gibt es? Wo positioniert ihr eure Reime am besten? Wir zeigen euch die wichtigsten Grundlagen zum Reime finden für Songtexte.
Ihr lernt saubere und unsaubere Reime kennen sowie Techniken, mit denen ihr Doppelreime findet. Außerdem zeigen wir euch die gängigsten Reimschemata mit einigen Beispielen.
Die Anatomie des Reims
Zwei Wörter reimen sich aufeinander, wenn ihre Endung phonetisch gleich klingt. Phonetik ist die Lehre der klanglichen Laute und erklärt beispielsweise, warum sich “time” auf “Reim” reimt. Wenn wir die beiden Worte phonetisch aufschreiben, also so, wie sie ausgesprochen werden, schreibt man sie [taim] und [raim]. Wie ihr sehen könnt haben beide die Endung “aim”.
In Songtexten erwarten die Hörer meist, dass sich Zeilen reimen. In einer Zeile wird eine Erwartungshaltung für den Hörer aufgebaut, die erst durch den passenden Reim in einer späteren Zeile erfüllt wird. Somit entsteht ein Spannungsbogen und ein akkustischer Wiedererkennungseffekt. Gereimte Aussagen prägen sich leichter ein, wodurch sich gereimte Songs auch viel besser mitsingen lassen. Außerdem macht es den Text spannender.
Grundsätzlich können Reime sauber und unsauber sein. Bei einem sauberen Reim stimmt die phonetische Endung der beiden Wörter exakt überein. Wenn sie hingegen phonetisch nur ähnlich klingen, ist der Reim unsauber. Saubere Reime bringen eine höhere Sicherheit mit sich, dass der Hörer den Reim als solchen wahrnimmt. Unsaubere Reime erfordern eine flexiblere Assoziationsfähigkeit. Der Hörer kann solche Reime mit einem Schmunzeln wahrnehmen.
sauber | unsauber |
vermissen | schiffen |
Fahne hissen | mischen |
wissen | bisschen |
Auf Wörter gibt es stets mehr unsaubere als saubere Reime, insofern steigt die Wahrscheinlichkeit bei einem unsauberen Reim, dass er für den Hörer völlig neu ist und eine ganz neue Verbindung zwischen Wörtern schafft. Dies ist ein Mehrwert, der das Erleben des Texts ebenfalls spannender gestalten kann.
Am Beispiel wird ebenfalls deutlich, dass der Reim mindestens ab der letzten betonten Silbe beginnen muss. Wenn die letzte Silbe betont ist, wie bei dem Wort „Pflaumenbaum“, funktionieren auch Reime nur auf die Endung -aum. Bei „Pflaume“ hingegen reicht ein Reim auf die Endung -me nicht aus, es müssen sich also mindestens zwei Silben auf -aume reimen. Somit sollte die Silbenzahl der Reime ab der betonten Silbe übereinstimmen.
Übung: Versucht, jeweils mindestens 3 saubere, insgesamt mindestens 7 Reime auf folgende Wörter zu finden: Traum, schreiben, Gitarre, gelegentlich.
Die Lösung könnte zum Beispiel so aussehen:
sauber | unsauber |
Traum | klauen |
Baum | Zaun |
Schaum | Frauen |
kaum | Flaum |
bauen | |
schauen | |
genau | |
schreiben | Reifen |
bleiben | Weichen |
treiben | meiden |
bleiben | leiden |
eigen | |
schneiden | |
gleiten | |
Gitarre | Kappe |
Sache | Waffe |
Zigarre | Masse |
mache | paffe |
schaffe | |
Affe | |
lasse | |
gelegentlich | dagegen spricht |
wesentlich | eben nicht |
ekelig | dreh dich nicht |
gegen dich | Fehler spricht |
(ganz saubere Reime sind | vor dem Gericht |
hier sehr schwierig zu finden) | regel ich |
kennst du nicht |
Doppelreime
Besonders im Hiphop und Pop sind Doppelreime üblich. Doppelreime sind per Definition mehrsilbige Reime, entweder auf längere Wörter oder Wortgruppen. Ihre Besonderheit ist, dass sich die Silben an der gleichen Position in beiden Wörtern aufeinander reimen.
Am besten lässt sich das an einem Beispiel erkennen:
Massenreim |
Waffenschein |
Doubletime |
lange Zeit |
Diese vier Doppelreime reimen sich (unsauber) aufeinander. Alle vier Wörter sind dreisilbig und ihre phonetischen Vokale sind in allen vier Fällen [..a..e..ai..]. Hierbei spricht man von einem dreisilbigen Doppelreim. Dieses Stilmittel lässt den Text noch mehr mit den Reimen verschwimmen und macht die Stelle zu einem echten “Hinhörer”. Einige Hiphop-Artists legen ihre Texte so an, dass sich in jeder Zeile mehrere Doppelreime aufeinander befinden. Auch achtsilbige Doppelreime und länger sind keine Seltenheit!
Ein gern genutztes Stilmittel ist auch, die Doppelreime in Wörtern zu verstecken. Durch die richtige Positionierung im Takt wird der Reim dann rhythmisch erst deutlich. In der folgenden Zeile findet ihr gleich vier versteckte Doppelreime auf “Massenreim”:
Doppelreime zu finden ist ein wenig kompizierter im Vergleich zu einsilbigen Reimen. Eine gute Methode ist es, das mehrsilbige Wort in kürzere Bestandteile zu zerlegen und zuerst einige Reime auf die Reimschnipsel zu finden. Anschließend könnt ihr versuchen, verschiedene Reimschnipsel miteinander zu kombinieren und sinnvolle Doppelreime zu erhalten. Das müssen keine zusammenhängenden Wörter sein, auch Wortgruppen wie im Beispiel „lange Zeit“ können gut funktionieren. Der Anspruch an Doppelreime fordert selbst erfahrene Texter. Dennoch ist hier mit ein bisschen Übung eine schnelle Steigerung im Reimefinden möglich!
Übung: Sucht doch mal ein paar Doppelreime auf folgende Wörter: Nachtigall, Grabrede, Lotusblüte, Staffelmalerei.
Die Lösung könnte zum Beispiel so aussehen:
Nachtigall | Grabrede | Lotusblüte | Staffelmalerei |
Basketball | lang lebe | große Rübe | Basketballverein |
Wasserfall | Drahtesel | Krokuszwiebel | ganze Nacht daheim |
Affenstall | Armhebel | Lobeslieder | sagenhafter Schein |
Die Position des Reims im Takt
Rhythmisch gibt es einige Grundregeln, durch die eure Hörer denn Reim besser wahrnehmen können. Erinnert euch an die X-Dot-Methode aus dem ersten Blogbeitrag. Dort hatten wir festgestellt, dass Wörter ihre natürliche Position im Takt einnehmen, sobald man ihre natürliche Betonung berücksichtigt.
So ähnlich verhält es sich auch mit dem Reim. Ein Reim klingt natürlich, wenn beide Wörter an der gleichen Position im Takt stehen.
In diesem Beispiel steht der Reim fly-high in beiden Zeilen kurz vor dem vierten Grundschlag. Ganz egal, wo die Position des Wortes im Takt ist, die beste Position für den Reim in der betreffenden Zeile ist exakt die Gleiche!
Sollte das einmal aus irgendeinem Grund nicht möglich sein – beispielsweise weil ihr die zweite Zeile kürzen müsst – dann achtet darauf, dass der Reim immerhin noch die gleiche Position zu einer Grundzählzeit hat. In unserem Beispiel bedeutet das: Unser Reim “high” war kurz vor der Zählzeit Vier. Wenn wir ihn verschieben müssen, dann entweder kurz vor die Drei oder kurz vor die Zwei:
Wenn wir den Reim an eine andere Stelle schieben würden, ist er im Rhythmus nur noch schwer als Reim zu erkennen und klingt künstlich. Diese Lösung wäre also unprofessionell:
Hier liegt der Reim kurz nach der Zählzeit Eins. Probiert es mal aus, es klingt ganz komisch.
Nutzt also auch die beiden Techniken Pause und Umformulieren, um eure Reime an den richtigen Stellen im Takt positionieren zu können.
Übung: Schreibt vier Zeilen zum Thema euer Wahl. Wenn euch keines einfällt, schreibt über “Wiederentdecken kindlicher Neugier”. Achtet hierbei auf die Position der Reime im Takt, sowie darauf, bewusst Pausen zu setzen.
Reimschemata
Im Folgenden werden wir uns ein paar gängige Reimschemata anschauen und jeweils an einem Beispiel ausprobieren. Diese Reimschemata helfen euch, die Reime in die richtigen Zeilen zu setzen. Wenn ihr bewusst eines dieser Reimschemata verwendet, solltet ihr dabei bleiben. Euer Hörer wird sich sonst wundern, wenn die eine Strophe nur aus Paarreimen besteht, während die nächste Strophe Kreuzreime verwendet. So eine Spielerei lenkt vom Inhalt ab und sollte sparsam verwendet werden.
Paarreim
Der Paarreim ist das üblichste Reimschema und findet sich in allen Genres wieder. Hierbei reimen sich stets zwei aufeinanderfolgende Zeilen miteinander. So entstehen Paare von Zeilen, die kurze Spannungsbögen aufbauen. Um den Fokus des Hörers auf den Inhalt des Textes zu legen, ist der Paarreim die beste Wahl.
Beispiel:
a a b b |
Jetzt wisst Bescheid über Phonetik und Doppelreim übt n paar Minuten und ihr schreibt nen ganzen Song allein. Wir geben Tipps Tricks zum Songtexten von einfachsten Kniffen, bis zu Komplexen. |
Kreuzreim
Kreuzreime eignen sich beispielweise gut für Refrains. Bei ihnen reimen sich die erste und dritte Zeile sowie die zweite und vierte Zeile. Um beide Reime wahrzunehmen, muss sich der Hörer zuerst beide letzten Wörter der ersten beiden Zeilen merken, damit er später die Reime erkennen kann. Somit wird ein längerer Spannungsbogen aufgebaut, bei dem die Erwartunghaltung gleich auf zwei Reime erfüllt werden muss.
Beispiel:
a b a b |
You can take a pen give it just a try practice with your hand write a song and rhyme |
Umarmender Reim
Der umarmende Reim baut, ähnlich wie der Kreuzreim, eine Erwartungshaltung für zwei Zeilen auf. Diese werden dann aber in umgekehrter Reihenfolge erfüllt. In der Musik ist dieses Reimschema eher selten zu finden, da es nicht so gleichmäßig wie der Kreuzreim klingt. Als besonderes Stilmittel taugt diese Reimform aber auf jeden Fall!
Beispiel:
a b b a |
Blog nummer zwei wir zeigen wie es geht wir reimen, ihr versteht seid ihr wieder mir dabei? |
Schweifreim
Der Schweifreim funktioniert über ein paar Zeilen mehr. Eine Reihe von Zeilen, die auf dem gleichen Reim enden, wird von einer neuen Zeile (b) unterbrochen. Im Anschluss daran folgen eine Reihe von Zeilen mit einem neuen Reim, an deren Ende sich nun der Partner zu b findet. Dieses Reimschema erfordert vom Hörer, sich den Reim b ziemlich lange zu merken, wobei aber auch ein größerer Spannungsbogen entsteht. Denkbar wäre so ein Beispiel auch in der Form aab ccb, sofern die Zeilen mit b jeweils über zwei Takte gehen. Wichtig ist, dass der Schweifreim immer in der letzten Zeile eines geraden Blocks von Takten kommt. So bleibt die natürliche Gleichmäßigkeit erhalten.
Beispiel:
a a a b |
c
c
c
bReimt jeden Tag
via Reimschemata
und ihr schreibt einen Part.
Wir wissen, dass du viel kannst.
Das hier ist ein Schweifreim
Danke fürs dabei sein
Habt ihr Bock auf Teil drei
Schreiben wie am Fließband.
Haufenreim/Binnenreim
Viele Zeilen, die sich alle auf ein und dieselbe Zeile a reimen, bezeichnet man als Haufenreime. Diese sind besonders unterhaltsam, da der Text dadurch eine stärkere Einheit darstellt. Dem Hörer wird die Regelmäßigkeit schnell bewusst und er fieber selbst mit, wie viele Reime der Interpret wohl noch findet.
Im Rap werden Haufenreime häufig mit Binnenreimen kombiniert, so dass sich weitere (Doppel-) Reime nicht nur am Ende der Zeilen, sondern auch in den Zeilen befinden. Durch eine solche Masse an Reimen klingt die Stimme fast wie ein Instrument, dass immer wieder dieselbe Folge von Vokalen wiedergibt.
Beispiel:
a a a a a a a a |
Mein Doppelreim liegt bei Mitternacht auf einem Opferstein klar war von vornherein – für ihn wird niemals Morgen sein. Er strahlt im Mondenschein wunderschön und sorgenfrei Fallen mir die Worte ein, wird er in meiner Strophe sein! |
Übung: Schreibt eure vier Zeilen aus der letzten Übung um, so dass sie als Paarreim, Kreuzreim oder als Umarmender Reim funktionieren. Wie wirkt diese neue Form?
Die Lösung könnte zum Beispiel so aussehen:
Als Kreuzreim wirken die Kontraste deutlicher. In diesem Text wird der Spannungsbogen so ein wenig länger gezogen, dass diese vier Zeilen wunderbar als eigenständiger Part funktionieren könnten. Als erste Strophe oder als Bridge beispielsweise.
Reime finden beim Schreiben des Textes
Eine unserer wichtigsten Aussagen dieser Reihe ist, dass ihr euren Songtext am Stück und ohne Unterbrechung schreiben solltet. Einer der fiesesten Fallstricke beim Texten sind aber leider die Reime. Wenn ihr am Ende einer Zeile anlangt und nicht sofort einen Reim findet, solltet ihr nicht zu lange dort verweilen, sondern lieber erst einmal ein anderes Wort einfügen, oder durch einen Strich kennzeichnen, dass hier später ein Reim eingefügt werden soll.
Auch wenn ihr innerhalb einer Zeile das Gefühl habt, dass hier später noch ein Reim hineinsollte, markiert die Stelle einfach mit einem Strich und kehrt später hierhin zurück. Erstmal muss der rote Faden stehen.
Eine große Gefahr an Reimen ist, dass der Text dadurch seinen Sinn verliert. Fokussiert sich der Texter zu stark auf das Verwenden von Reimen, dann entstehen Zweckreime. Selbst wenn der Hörer nicht merkt, dass die verwendeten Worte nur des Reims wegen dastehen, wird der Inhalt so unübersichtlich, dass dem Hörer jeder Zugang und rote Faden verloren geht. Vermeiden könnt ihr dass nur, indem ihr darauf vertraut, dass es auch vorerst ohne Reim funkioniert und ihr den Text nicht beim ersten Schreiben perfekt machen wollt. Lasst die Reime warten bis auf die Überarbeitung, zuerst muss der Inhalt stimmen!
Übung: Um Reime zu finden solltet ihr euch ab und zu ein paar Wörter ausdenken und darauf jeweils 4-8 Reime aufschreiben. Dies ist aus zwei Gründen sinnvoll: Erstens schult ihr damit eure Assozisationsfähigkeit und könnt in Zukunft leichter neue Reime finden. Zweitens könnt ihr die dabei entstehenden Listen sammeln und beim Texten in der Nähe haben. Wenn ihr einen Reim sucht, auf den ihr schonmal gereimt habt, erinnert ihr euch leichter an eure Reime oder könnt nachschlagen.
Die Lösung könnte zum Beispiel so aussehen:
Diese Übung geht immer, so lang ihr sie machen wollt. An dieser Stelle übe ich noch einmal die Doppelreime.
Hochseefischerei | kleine Kinder | Gesichtsmassage |
Show stehlen mit nem Reim | Zweibettzimmer | verbringst den Abend |
Okay, bin dabei | Zeigefinger | in Bandagen |
Es kann losgehen, gib das Mic | Scheibenwischer | Künstlernamen |
Reimen macht richtig Spaß. Felix und ich haben uns viele Jahre lang immer wieder gegenseitig vielsilbige Wörter hingeworfen und einen Wettbewerb daraus gemacht, wer die meisten und besten Doppelreime findet. So sind ganze Songs entstanden, in denen sich bis zu 96 Zeilen auf einander reimen. Reime kennen keine Grenzen!
Ihr könnt mir eure Ergebnisse gern an paul.marx.media@gmail.com schicken, ich schaue gern mal drüber.
Viel Spaß beim Ausprobieren!